24. Dezember 2002
Vor ziemlich genau fünf Jahren stand das Thema Vater und Sohn ganz im Mittelpunkt. Im November 1997 hatten wir gemerkt, daß die Lehre von der Dreifaltigkeit ("Trinity") nicht stimmt; daß man da versucht hat, Gottes Geist ("Gottes Atem") in ein menschliches Gedankengebäude einzusperren.
Daß in der Bibel wiederholt von zwei Personen die Rede ist, war für mich eine wichtige Bestätigung und eine große Entlastung.
In dem Brief vom 23. März 2001 habe ich beschrieben, wie sich nach dem Wegfallen des Dreifaltigkeits-Dogmas für mich neu die Frage stellte: Wer ist Jesus? und: Ist Jesus auch Gott?
Um keinen zu verunsichern, sage ich jetzt gleich zusammenfassend, daß ich in der Bibel (vor allem in den vier Evangelien) klare Belege gefunden habe, daß Jesus wirklich auch Gott ist (vgl. Brief vom 23.03.2001).
Beim Lesen der Evangelien im November und Dezember 1997 fiel mir einiges auf. Die Jünger Jesu hatten einen ganz anderen Lernweg als ich. Sie warteten, so wie andere Juden damals, auf den Messias. Sie merkten, daß Jesus der Messias ist und mußten dabei akzeptieren, daß Jesus nicht politische Macht oder Ähnliches anstrebte. Im Evangelium wird nicht berichtet, daß er sie mit der Aussage: "Ich bin Gott" konfrontiert hätte. Jesus scheint in der Hinsicht sehr zurückhaltend gewesen zu sein.
[Matthäus 16,15f] Er (Jesus) sagt zu ihnen: "Und ihr, wer sagt ihr, daß ich bin?"
Simon Petrus antwortet: "Du bist der Messias, der Sohn Gottes; der Sohn des Gottes des Lebens."
Jesus freut sich darüber. Es ist offensichtlich genau das, was er hören wollte. In der Abschlußrede (im Johannes-Evangelium) faßt Jesus zusammen, welche Lernschritte er soweit von den Jüngern erwartet hat:
[Johannes 17,7] "Jetzt haben sie erkannt, daß alles,was du mir gegeben hast, von dir [vom Vater] ist;
denn die Worte, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben, und sie haben sie angenommen,
und sie haben wahrhaft erkannt, daß ich von dir ausgegangen bin,
und sie sind zum Glauben gekommen, daß du mich gesandt hast."
Mein Lernweg war anders als der der Jünger. Bei mir hatten die Lernschritte eine andere Reihenfolge.
Als ich noch ein kleines Kind war, haben mir wohl meine Eltern gesagt, daß Jesus der Sohn Gottes ist, und daß er Gott selbst ist. Ich erinnere mich nicht daran, wie sie es mir erzählten. Aber irgendwie waren mir diese Aussagen schon früh vertraut und verwirrten mich nicht.
Lange Zeit, bis ich 25 Jahre alt war, waren die Namen "Vater", "Sohn" und "Gott" für mich vollkommen identisch.
Diese Phase tut mir im Nachhinein nicht leid. Es war eine Phase der Vereinfachung, die nicht auf Lüge oder Illusion gebaut war.
25.12.2002
Warum schreibe ich ausgerechnet jetzt wieder davon?
Seit März 2001 hatte ich das Gefühl gehabt, daß das Thema Vater und Sohn nun weitgehend geklärt sei.
Aber am Sonntag Abend sagte mir jemand aus meiner Familie, er habe im Fernsehen etwas über die Arianer gehört. Das sei eine Sekte, deren Irrlehre könne man so zusammenfassen: Der Sohn und der Vater seien nicht gleich. Er sei erschrocken, als er das hörte, und habe sich gedacht: Ist das nicht das, was die R. (also ich) geschrieben hat?
Wir standen vor der Frage, ob bestimmte Briefe von mir, z.B. der 23. März 01 (oder der 19. Mai 02), falsche oder mißverständliche oder unzureichend abgesicherte Aussagen enthalten; ob ich diese Briefe wieder aus dem Internet herausnehmen oder berichtigen muß.
Der Begriff "Meinungsfreiheit" zählt hier nicht. Denn wir haben Verantwortung für das, was wir sagen. Irrtum ist möglich. Aber, wenn man die Gelegenheit, einen Irrtum zu erkennen und zu korrigieren, nicht nutzt, dann kann aus einem Irrtum tatsächlich eine Irrlehre werden; ein Irrtum, der sich verbreitet.
Im Folgenden werde ich immer wieder direkte Fragen verwenden. Ich tue das nicht, um didaktisch zu sein. Es handelt sich vielmehr um die Fragen, mit denen ich jetzt konfrontiert bin.
Ist es gefährlich, sich für die Beziehung zwischen dem Vater und dem Sohn zu interessieren und Unterschiede zu suchen?
Soeben kommt einer meiner Familie zur Tür herein. Ohne zu wissen, was ich eben geschrieben habe, sagt er: "Weißt du, was mich heute besonders gefreut hat? Wie sich der M. doch interessiert hat für diese Süßkartoffel und sich irgendwie gefreut hat. Es war kein cooles Interesse, sondern Freude und Interesse..." Ich hatte mir nämlich gewünscht, daß mein Bruder M. zu Weihnachten u.a. eine Süßkartoffel kocht. Anfangs war er skeptisch und gar nicht sehr froh über meinen Wunsch gewesen.
Jetzt wieder zurück zur Frage, ob es gefährlich ist, Unterschiede zwischen dem Vater und dem Sohn zu suchen.
Es ist bestimmt gefährlich, die Beziehung zwischen Vater und Sohn eiskalt zu analysieren. Außerdem ist es nicht gut, Vater und Sohn zu trennen. Denn Jesus sagt, daß der Vater immer bei ihm ist.
Was bringt es, sich mit der Beziehung zwischen Vater und Sohn eingehend zu beschäftigen? Wäre es besser, sich nicht so auf das Thema zu konzentrieren? Könnte man auf diese Weise schädliche Verwirrung vermeiden?
Das Thema Vater und Sohn kommt im Johannes-Evangelium (ca. von Joh 5,19 an) und in der Offenbarung des Johannes (Apokalypse) häufig vor. In diesen beiden "Büchern" findet man es - ganz grob geschätzt - einmal pro Seite. In Jesu Abschiedsrede (vgl. Joh 13,12ff) wird das Thema sogar zu einer Art Leitmotiv.
Wie bereits geschildert, habe ich mich jahrelang nicht besonders für die Beziehung zwischen Vater und Sohn interessiert. Vater und Sohn waren für mich einfach zwei Rollen, die Gott haben kann.
Rückblickend kann ich allerdings sagen, daß ich damals Teile des Johannes-Evangeliums und vor allem die Abschiedsrede irgendwie nicht gerne mochte. Ich hielt die Abschiedsrede für unnötig philosophisch und fragte mich: Wie kann es sein, daß Jesus kurz vor seinem Sterben ausgerechnet das gesagt hat?
Inzwischen habe ich entdeckt, daß die abstrakte Sprache der Abschiedsrede nicht in erster Linie auf irgendeine Neigung zur Philosophie zurückzuführen ist, sondern eine Art verschlüsselte Sprache darstellt.
[Joh 16,25f] "Dies habe ich euch in Bildreden gesagt; es kommt die Stunde, wo ich nicht mehr in Bildreden zu euch reden werde, sondern euch mit Offenheit (=frei heraus) über den Vater verkündigen werde. An jenem Tag werdet ihr in meinem Namen bitten..."
Dieses "den Vater bitten in meinem Namen" ist Jesus wichtig.
[Joh 16,23 - 24] "Wenn ihr den Vater in meinem Namen um etwas bittet, wird er es euch geben. Bis jetzt habt ihr noch nicht in meinem Namen um etwas gebeten; bittet und ihr werdet empfangen, damit eure Freude vollkommen ist."
Es geht um mehr als um die drei Worte "in Jesu Namen". Diese Worte können nämlich auch von Heuchlern gebraucht, also mißbraucht werden.
Der Mensch soll den Vater im Namen des Sohnes bitten. Das war für mich Weihnachten1997 einer der Gründe, beim Bibellesen auf die Beziehung zwischen Vater und Sohn zu achten.
Darf man eigentlich davon ausgehen, daß die Beziehung zwischen Vater und Sohn im Wesentlichen noch so ist, wie Jesus sie beschrieben hat, als er noch auf der Erde war? Oder begibt man sich damit in den Bereich der Spekulation? Ist es Gott vielleicht lieber, wenn man zur Sicherheit nur noch von dem einen Gott spricht, jetzt wo der Sohn wieder zum Vater zurückgekehrt ist?
Es gibt eine Reihe von Stellen, die sich auf die Zukunft beziehen (z.B. auf Jesu Rückkehr oder auf das Ewige Leben), in denen der Vater und der Sohn nebeneinander genannt werden.
26. Dez. 2002
Weiter oben habe ich so eine Stelle zitiert. Joh 16,25f verweist klar auf einen Zeitpunkt in der Zukunft und beinhaltet gleichzeitig die Konstellation
die Jünger - der Sohn - und der Vater.
(Mit "Jünger" meine ich auch Jesu Jünger heute. Vgl. Joh 17,20 und Joh 17,9)
[Mt 26,64 und 65] Jesus sagt zu ihm [dem Hohenpriester]:
"...Von jetzt an werdet ihr den Sohn des Menschen sitzen sehen zur Rechten der Macht. ..."
Der Hohepriester zerreißt seine Kleider und sagt: "Er hat gelästert. ..."
[Apostelgeschichte 7,55ff] Er [Stephanus] erfüllt vom Heiligen Geist, schaut zum Himmel. Er sieht dort die Herrlichkeit Gottes und Jesus, wie er zur Rechten Gottes steht. Er sagt: "Siehe, ich sehe die Himmel geöffnet und den Sohn des Menschen zur rechten Gottes stehend."
Sie schreien laut und stopfen sich die Ohren zu...
(vgl. Markus 16,19)
[Mt 22,44ff] ...Jesus fragt sie: "Was denkt ihr über den Messias? Wessen Sohn ist er?"
Sie antworten ihm: "Davids Sohn."
Er sagt zu ihnen: "Und wie nennt David, im Geiste, ihn dann 'Herrn'? Er sagt: 'Der Herr sagte zu meinem Herrn: Sitze zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde unter deine Füße tue.' ... "
[Offenbarung des Johannes 3,21] "Dem Sieger [Jedem, der siegt] werde ich erlauben (wörtlich: geben), sich mit mir auf meinen Thron zu setzen,
so wie auch ich gesiegt habe und mich mit meinem Vater auf seinen Thron gesetzt habe."
[Offb 20,6] "...Sie [Diejenigen der Ersten Auferstehung] werden die Priester Gottes und des Messias sein,..."
Priester für Gott und für den Messias zu sein, das wird nach der Zweiten Auferstehung für alle, die zu Gott gehören, möglich sein.
Das Zitat oben (Offb 20,6) ist wichtig, weil es zwei Perspektiven gleichzeitig beinhaltet. Einerseits stehen die Namen "Gott" und "der Messias" nebeneinander, verbunden mit "und". Zum anderen sind die betroffenen Menschen auch "Priester" des Messias. Das heißt, daß hier gleichzeitig betont wird, daß der Messias für sie Gott ist.
Thomas nennt den Messias "mein Herr und mein Gott". Das Wort "Gott" ist nicht nur ein Eigenname, sondern es hat auch eine ähnliche Bedeutung wie das Wort "Herr". Es ist dabei intensiver als das Wort "Herr"; es geht noch weiter; es stellt eine Art Steigerungsform dar.
Ich will jedoch das Thomas-Zitat nicht auf diese Interpretation festlegen.
Die Überlegung, daß "Gott" so etwas Ähnliches wie "Herr" bedeuten kann, hilft mir, wenn Jesus den Vater seinen Gott nennt. Früher ist mir das nicht so aufgefallen, aber es kommt wiederholt vor.
Jetzt wo Jesus zum Vater zurückgekehrt ist, wie kann man wissen, ob er immer noch "Gott" zu seinem Vater sagt? Sollte man nicht lieber denken: "Jesus ist Gott. Und der Vater ist Gott. Mehr wissen wir nicht."
Die Offenbarung des Johannes handelt im wesentlichen von der Zeit nach der Rückkehr Jesu zum Vater. Jesus hat seine Prüfungszeit hinter sich. Er ist jetzt nah beim Vater. Und er nennt ihn immer noch seinen Gott, und zwar wiederholt (vgl.Offb 3,2 und 3,12).
[Offb 3,12] "...Ich werde auf ihn den Namen meines Gottes schreiben ... und meinen Namen, den neuen."
Daneben nennt er ihn auch ganz einfach weiterhin seinen Vater (vgl. Offb 2,28 und Offb 3,5).
Wenn man sich im Detail dafür interessiert, wie Jesus seinen Vater nennt, ist dann die Offenbarung des Johannes glaubwürdig genug, um sich auf sie allein zu stützen?
Man braucht sich nicht auf die Offenbarung des Johannes allein zu stützen.
[Joh 20,17] Jesus sagt zu ihr [Maria Magdalena]: "Berühre mich nicht! Nein, ich bin noch nicht zum Vater hinaufgegangen. Geh zu meinen Brüdern und sag ihnen: 'Ich gehe hinauf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott.' "
28. Dez. 2002
Hätte Jesus so etwas kurz vor seinerRückkehr zum Vater gesagt, wenn es eine kurzlebige Aussage gewesen wäre, die schon Wochen später nicht mehr gilt?
Ich habe noch keine Stelle gefunden, wo Jesus angedeutet hätte, daß das, was er über die Vater-Sohn-Beziehung sagt, nur von begrenzter Gültigkeit wäre. Er stellt diese Beziehung vielmehr dar als etwas, das sich zwar voranentwickelt, das aber gleichzeitig von seiner Grundkonstellation her im Wesentlichen etwas Bleibendes ist.
[Joh 15,1-5] Jesus sagt: "Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater ist der Weingärtner. Jede Rebe an mir, die nicht Frucht trägt, nimmt er weg, und jede Frucht tragende Rebe reinigt er, damit sie mehr Frucht trägt. ... Bleibt in mir, und dann bleibe ich in euch. Wie die Rebe nicht von sich selbst aus Frucht tragen kann, wenn sie nicht am Weinstock bleibt, so auch nicht ihr, wenn ihr nicht in mir bleibt. Ich bin der Weinstock, ihr die Reben. Wer in mir bleibt, und ich in ihm, derjenige trägt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun."
[Joh 14,10] "... Die Worte, die ich euch sage, rede ich nicht aus mir selbst; sondern der in mir bleibende Vater tut seine Werke..."
Die Vater-Sohn-Beziehung entwickelt sich voran, der Sohn wächst, wird größer (vgl. "verherrlicht"). Beide freuen sich gemeinsam; und bei all dem bleibt der Vater der Vater und der Sohn der Sohn.
[Joh 13,31 und 32] ...Jesus sagt:"Jetzt ist der Sohn des Menschen verherrlicht, und Gott ist verherrlicht in ihm; wenn Gott in ihm verherrlicht ist, so wird auch Gott ihn in sich verherrlichen, und sofort wird er ihn verherrlichen."
[Joh 17,4 und 5] "Ich habe dich auf der Erde verherrlicht; ich habe das Werk vollendet, das du mir gegeben hast, damit ich es tue; und jetzt verherrliche mich du, Vater, bei dir, mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, bevor die Welt war!"
Wissen wir etwas von der Herrlichkeit, die Jesus hatte, als er noch beim Vater im Himmel war?
Jesus selbst drückt aus, daß die Herrlichkeit nach seiner Erden-Zeit ähnlich sein wird wie die Herrlichkeit vor seiner Erden-Zeit. Psalm 110, aus dem ich bereits zitiert habe, stammt von David, der vor Jesu Geburt lebte. Gleichzeitig betrifft dieser Psalm auch die Zukunft, die Endzeit ("bis ich dir deine Feinde als Schemel unter deine Füße tue").
Jesus selbst hat erklärt, daß es im Psalm110 um den Messias geht.
[Ps 110,4] "Der Herr hat geschworen, und nie wird es ihn reuen:
'Du bist Priester auf ewig nach der Ordnung Melchisedeks.' "
Wenn der Messias auf ewig Priester des Herrn sein wird, dann wird der Herr auf ewig sein Gott sein. Denn "Priester" bedeutet in erster Linie, nah bei Gott sein zu dürfen.
[Offb 21,7] "Wer siegt, wird dies als Anteil erhalten: Ich werde sein Gott sein, und er wird mein Sohn sein."
Das gilt auch und zuerst für Jesus, Gottes Sohn.
Hier kommt zum Ausdruck, daß für Jesus die größte Belohnung für seinen Gehorsam in der Vater-Sohn-Beziehung selbst liegt. Es wäre traurig gewesen, wenn diese Beziehung nur für die Zeit der Prüfungen, des mühevollen Gehorsams und des Leidens da gewesen wäre.
Jesus will von seinen Jüngern, daß sie ihm nachfolgen und ihre Prüfungen durchstehen. Er möchte, daß sie eine ähnliche Belohnung erhalten wie er. Er geht ihnen also auch beim Thema Belohnung voraus, so daß sie ihm folgen können. Auch da ist er der ERSTGEBORENE.
Jesus ruft am Kreuz: "Mein Gott, warum hast du mich verlassen?"
Wäre es nicht traurig, wenn er nach seiner Auferstehung und nach seiner Rückkehr zum Vater seinen Vater nicht mehr "mein Gott" nennen würde?
Jesus kann zu seinem Vater immer noch "mein Gott" sagen. Gleichzeitig ist Jesus selbst auch Gott. Gibt es Stellen in der Bibel, in denen auf dieses Paradox eingegangen wird?
29. Dez. 2002
[Joh 14,8-11] Philippus sagt zu ihm: "Herr, zeig uns den Vater, und das genügt uns." Jesus sagt zu ihm: "So lange Zeit bin ich schon bei euch, und du hast mich nicht erkannt, Philippus? Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen. Wie kannst du da sagen: Zeige uns den Vater! Glaubst du nicht, daß ich im Vater bin und der Vater in mir ist? Die Worte, die ich euch sage, rede ich nicht aus mir selbst; sondern der in mir bleibende Vater tut seine Werke. Glaubt mir, daß ich im Vater bin und der Vater in mir ist! Andernfalls (wenn ihr das nicht glauben könnt), glaubt (wenigstens) wegen der Werke selbst!"
Der letzte Satz ist eine Hilfestellung für alle, denen das Thema Vater und Sohn zunächst noch zu schwierig ist.
Eine weitere Stelle findet man am Anfang des Johannes-Evangeliums. Früher konnte ich mit diesem sogenannten "Prolog" nicht viel anfangen. Ich hätte nie gedacht, daß der rätselhafte Prolog für mich einmal zu einem wichtigen nüchternen Feedback werden würde.
[Joh 1,1-2] Am Anfang war das Wort,
und das Wort war bei Gott.
Und das Wort war Gott.
Am Anfang war es bei Gott.
"Das Wort" Gottes steht für Jesus (vgl. Offb 19,13).
Der Prolog war für mich ein Feedback, daß ich auf dem richtigen Weg bin, wenn ich sage, daß es zwei Perspektiven gibt:
Einerseits ist Jesus der Sohn des Vaters.
Der Vater ist zugleich auch sein Gott.
Andererseits ist Jesus selbst auch Gott.
Für die Menschen ist er Gott.
Das ist kein Widerspruch, es ist ein "Paradox". Ein Paradox sieht aus wie ein Widerspruch, ist aber keiner. Es handelt sich um etwas Wahres, das allerdings so ungewöhnlich oder so kompliziert ist, daß es aussieht wie ein Widerspruch.
Dieses Prolog-Feedback ist für mich eine Ermutigung darin, daß es mit Gottes Hilfe möglich ist, auch schwierige Zusammenhänge direkt aus der Bibel abzuleiten. Die Evangelien sind zuverlässige Zeugen, auch wenn man bei manchen Themen zunächst denkt: "Einmal steht es so da; und ein anderes Mal anders. Man wird daraus nicht schlau."
Vorhin habe ich etwas in der Zeitung gelesen [Mittelbayerische Zeitung vom 28. / 29. Dez. 2002], und plötzlich wird das Wort "Paradox" sehr brisant: Das Wort "Elohim" mit dem Wort "Gott" zu übersetzen, ist kein Übersetzungsfehler und kein Widerspruch.
Die Zeitung schreibt zum Thema der Sekte "Raelistische Revolution": "Der Glaube an einen einzigen Gott in der Welt wird auf einen Übersetzungsfehler des Alten Testaments zurückgeführt. Das darin enthaltene Wort für den Schöpfer, 'Elohim', sei fälschlicherweise mit der Singularform 'Gott' übersetzt worden, obwohl es sich hier um die Pluralform handele mit der Bedeutung 'die, die vom Himmel gekommen sind'. "
Es ist mir nicht neu, daß "Elohim" ein Wort in der Mehrzahlform ist. Erst gestern habe ich es wieder in einer Bibel gelesen. Ausgerechnet gestern. Das war eine Fügung.
[La Bible, André Chouraki, S. 2415] "Elohim ist der Plural (des Wortes El) und die am häufigsten verwendete Form. Das Wort kann die Gesamtheit der Gottheiten bezeichnen, aber in der Bibel bezeichnet es meistens den einzigen Gott, und dieses Paradox verdient es, hervorgehoben zu werden."
Ich habe mich gestern darüber gefreut, in diesem Zusammenhang das Wort "Paradox" zu lesen.
Das Wort "Gottheiten" klingt allerdings mißverständlich. Deswegen füge ich hinzu, daß das Wort "Elohim" auch für die Bedeutung "Götter" im Sinne von "Götzen" verwendet wird.
Hier ein Beispiel: Im "Brief des Jeremias" ist die Rede von den "Elohim" aus Silber, in Babel. Jeremias schreibt von ihnen: (68) "...Sie sind in keiner Weise Elohim (wahre Gottheiten). Habt keine Angstvor ihnen."
[Joh 14,23] Jesus sagt zu ihm: "Wenn jemand mich liebt, soll er mein Wort festhalten, und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden kommen, und wir werden Wohnung bei ihm machen (einkehren)."
"Wir" ist der Plural von "ich". Manche haben vielleicht schon einmal vom Plural Majestatis gehört. Darunter versteht man, daß zum Beispiel ein König sagen kann "wir sind", wenn er meint "ich bin".
Aber auch im Alltag verwenden viele Menschen Wörter, die ursprünglich eine Pluralform darstellten.
Französisch "vous" bedeutete früher nur "ihr". Im Laufe der Zeit fing man jedoch an, diese Mehrzahlform aus Höflichkeit auch für Einzelpersonen zu verwenden.
"Parlez-vous français?" kann übersetzt werden mit "Sprechen Sie (Einzahl oder Mehrzahl) Französisch?"
Ich nehme an, daß auch die deutsche Höflichkeitsform "Sie" sich auf ähnliche Weise aus einer Pluralform ("sie") entwickelt hat.
Sogar das englische "you" wurde ursprünglich nur für die Mehrzahl verwendet, und zwar mit der Bedeutung "ihr". Wie das französische "vous" wurde es allmählich zu einer Höflichkeitsform, mit der man auch bestimmte Einzelpersonen anredete. Aber es ging noch weiter. Schließlich fing man an, alle Menschen mit "you" anzusprechen, so wie es heute üblich ist. "Thou", das alte Wort für "du" gebrauchte keiner mehr.
Die menschliche Sprache springt also gerne hin und her zwischen Einzahl und Mehrzahl.
Wenn ein einzelner Reisender angesprochen wird mit der Frage: "Do you speak English?", dann denkt in der Situation keiner an die Plural-Herkunft des Wortes "you".
Auch bei dem Wort "Elohim" gibt es viele Situationen, in denen der Gedanke an die Mehrzahl unwesentlich oder sogar falsch ist.
Es folgt ein Zitat, in dem die Einzahl-Bedeutung von "Elohim" im Vordergrund steht. Gott ist der Herr über Einzahl und Mehrzahl.
[Psalm 50,6 und 7] "Elohim ist der Richter, er. ...
Höre, mein Volk, ich spreche;
Israel, ich lege Zeugnis ab gegen dich;
Elohim (bin) ich selbst! ..."
Ist es gefährlich, sich mit diesen Überlegungen zu beschäftigen? Wo beginnt das verbotene Analysieren, Schematisieren und Definieren?
31. Dez. 2002
Definitionen, in denen der Mensch Gott festlegen will, sind verboten. Den Versuch, Gott festzulegen, kann man symbolisch auch in der Kreuzigung Jesu sehen, bei der Jesus am Ort Golgotha (= 'Schädelstätte', =>im menschlichen Denken) festgenagelt wurde.
Aber nicht alles, was wie eine Analyse oder wie ein Schema aussieht, ist deswegen schon automatisch verboten.
Bevor ich darauf weiter eingehe, möchte ich kurz daran erinnern, daß Gottes Verbote echt Verbote sind, und keine leeren Drohungen.
Gott bestrafte David dafür, daß er eine Volkszählung unternommen hatte, obwohl er davor gewarnt worden war. Auf der anderen Seite wurde David keineswegs dafür bestraft, daß er von den Schaubroten aß, als er auf der Flucht und hungrig war. David setzte sich damals nicht frech über ein Verbot hinweg, sondern er bat um Erlaubnis. Jesus drückt aus, daß es in Ordnung war, was David da in seiner Not- und Mangel-Situation tat.
Ein weiteres Beispiel zum Thema "dürfen, nicht dürfen" und "sollen" ist die Geschichte des biblischen Königs Ahas. Gott sagt zu Ahas: "Fordere ein Zeichen für dich." Ahas antwortet sinngemäß: "Wie könnte ich es wagen, den Herrn auf die Probe zu stellen und ein Zeichen zu fordern?" Auf diese Antwort reagiert Gott sehr enttäuscht und verärgert, und er kündigt Konsequenzen an.
Im November 1997 fiel das Dogma der Dreifaltigkeit für uns weg. Das war für mich zwar eine Erschütterung, aber kein Verlust. Es war für mich auch keine bodenlose Verunsicherung, weil die Aussagen der Evangelien und der Schrift weiterhin gültig blieben.
Der Deckel der Vereinfachung war weggenommen worden, und die Konstellation Vater und Sohn kam mehr zur Geltung. Darüber freute ich mich. Damit kamen aber auch neue Fragen auf. Manche würden diese Fragen vielleicht "theologische Fragestellungen" nennen. Dieser Ausdruck paßt jedoch nicht zu meiner Lage damals. Es waren echte Fragen. Sie waren akut. Sie waren da, wenn ich in der Bibel las, oder wenn ich betete.
Das Dogma der Dreifaltigkeit hatte uns vier beeinflußt. Da lag die Frage nahe: Hat die Kirchenlehre auch das beeinflußt, was ich über den Vater und den Sohn denke? Ich fing an, meine Vorstellungen von der Vater-Sohn-Beziehung mit dem zu vergleichen, was in den Evangelien steht, vor allem mit dem, was Jesus selbst darüber sagt. Ich wollte nicht noch einmal darauf aufbauen, was andere Menschen in dieser Angelegenheit über Gott sagen. Das war mir zu gefährlich. Das betraf auch meine Eltern. Denn sie waren genauso beeinflußbar gewesen wie ich selbst.
Es war eine dringliche Situation, wie wenn im militärischen Bereich plötzlich eigene Datensammlungen überprüft werden müssen, weil der Verdacht besteht, daß der Feind sie beeinflußt haben könnte.
Ich suchte also in der Bibel nach Antworten auf meine Fragen. Ob das, was ich da tat, eine "Analyse" genannt werden könnte, oder ob das, was ich da fand, einem Schema ähnelte, das zählte in der Lage nicht. Es zählte nur die Frage: "Was ist erlaubt? Was darf ich, was soll ich tun?"
Trotz aller Dringlichkeit gab es immer noch das "bis hierher und nicht weiter" Gottes (vgl Job).
Gott hat das Recht, bestimmte Informationen "unzugänglich für Kinder" aufzubewahren.
Anfangs verstand ich die Abschlußrede nicht. "... Steht auf, laßt uns weggehen von hier!" [Joh 14,31] Dieser Satz taucht recht unvermittelt mitten in der Abschlußrede auf. Manchmal hatte ich das Gefühl, daß er meine momentane Situation traf. Ich nahm ihn wiederholt zum Anlaß, die Abschlußrede beiseitezulegen, obwohl viele Fragen offen geblieben waren.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich ausdrücken, daß ich niemanden dazu bringen will, diesen Brief hier zu lesen, wenn er nicht für ihn oder sie geeignet ist; oder ihn auf einmal zu lesen, wenn das für ihn oder sie nicht das richtige Tempo ist. Vielleicht wäre es auch für mich selbst zu viel gewesen, das in kurzer Zeit zu lesen, wofür ich Monate und Jahre brauchte, um es zu lernen.
Die Bibel ist manchmal wie ein Puzzle (English: like a jigsaw-puzzle). Man findet zwei Teile, die zusammenzupassen scheinen, man ist sich aber noch nicht sicher. Mit solch einer Vermutung darf man nicht unvorsichtig umgehen. Nicht jeder Vermutung darf man nachgehen und somit Raum geben.
Man sollte nicht versuchen, eine Vermutung vor Gott zu verstecken. Wenn man nicht weiß,ob es so ist oder anders, dann hat man die Gelegenheit, daraus eine Frage zu machen, die man an Gott richtet.
Allerdings kann es wichtig sein, Vermutungen vor den Mitmenschen zu verstecken oder vorerst zu verstecken. Viele Überlegungsstufen sind nicht für eine Diskussion geeignet, weil sie die anderen in Versuchung führen könnten.
Wichtig ist vor allem auch, daß man mit Vermutungen sauber umgeht. Wenn einem zum Beispiel eine Annahme aus irgendeinem Grund gefällt, dann besteht die Gefahr, daß man dazu tendiert, sie vorschnell für wahr zu halten. Oder man fängt schon einmal an, die Annahme, die einem gefällt, weiterzudenken, obwohl man noch nicht Grund genug hat, in irgendeiner Weise an sie anzuknüpfen. Ich bekenne, daß mir selbst beides bereits passiert ist.
Als ich über Jesus und den Vater nachdachte, kam schon bald die Frage auf, ob Jesus ein Mensch ist. Ich bin froh, daß ich die Frage nicht verdrängt habe.
1. Januar 2003
Lange Zeit fand ich in den Evangelien und im Alten Testament keine einzige Stelle, in der ausgesagt würde, daß Jesus ein Mensch war oder ist. Ich entdeckte, daß der Begriff "Menschwerdung" nicht aus den Evangelien stammt. Die genaue Übersetzung lautet "Das Wort ist Fleisch geworden." "Fleisch" klingt ungewohnt, aber "Fleisch und Blut" kommt auch in der heutigen Sprache vor. Jesus hat einen Leib aus Fleisch und Blut. Ich sage "hat", weil er auch noch nach der Auferstehung sagt:
[Lk 24,39] "... Faßt mich an und seht. Ein Geist hat weder Fleisch noch Knochen, wie ihr seht, daß ich habe."
Ein paar Jahre lang dachte ich also, daß Jesus die Bezeichnung "Mensch" für sich selbst nicht will. Ich war mir aber nicht sicher und zum Glück sprach ich kaum darüber. Denn kürzlich habe ich eine Stelle gefunden, in der Jesus das Wort "Mensch" für sich selbst verwendet.
[Joh 8,40] "Jetzt aber versucht ihr, mich zu töten, einen Menschen, der euch die Wahrheit gesagt hat (der ich euch ... gesagt habe), die ich von Gott gehört habe; das hat Abraham nicht getan."
In den Evangelien bezeichnet Jesus sich sonst nicht als "Mensch", häufig jedoch als "Menschensohn". Was bedeutet dieses Wort? Bedeutet es so viel wie "ein Sohn, der zugleich auch Mensch ist"?
Ich kann nicht behaupten, daß diese Bedeutung falsch wäre. Aber die ursprüngliche Bedeutung ist "Sohn des Menschen". Das Wort "Menschensohn" hat damit ein ähnliche Bedeutungsstruktur wie die Begriffe "Sohn Davids" und "Sohn Gottes". Ich stütze mich dabei auf den Vergleich mit anderen Sprachen (zum Beispiel englisch "Son of Man") und auf eine Interlinear-Übersetzung Griechisch - Deutsch.
Wiederholt ist die Rede von der Rückkehr des "Menschensohnes" mit Macht und Herrlichkeit, am Ende der Zeit. Das Wort "Menschensohn" wird also nicht nur verwendet, um sich auf Jesu Erdenzeit zu beziehen.
Auf der Erde hat Jesus vieles erleben müssen, was zu einem typischen Menschenleben gehört: Geburt, Kindheit, Lernen, Versuchungen, Leiden und Sterben.
Manche Leute meinen genau das, wenn sie sagen: "Jesus war ein Mensch". Sie haben dann im wesentlichen Recht, wenn auch das Wort "Mensch" etwas mißverständlich klingt.
Andere (z.B. die Arianer) meinen nämlich mit der Aussage "Jesus war ein Mensch" etwas ganz Bestimmtes. Sie meinen: "Er war nur ein Mensch." Damit haben sie nicht Recht; egal, ob sie jetzt vertreten, Jesus sei nicht Gottes Sohn oder Jesus sei nicht vom Vater gesandt worden oder er habe genau so gesündigt wie alle Menschen oder der Name "Gott" würde ihm nicht zustehen.
2. Januar 2003
In Joh 14,28 sagt Jesus, daß der Vater größer sei als er selbst. Darf ich das auch sagen? Darf ich sagen: "Der Vater ist größer alsJesus." ? Oder klingt das mißverständlich oder irgendwie abwertend?
Es gibt verschiedene Arten des Kleiner-Seins. Ein Kind z.B. muß sich nicht dafür schämen, daß es kleiner als die Eltern ist. Es ist nicht schuld daran, daß es zuerst noch viel lernen muß; oder daß man ihm soviel geben muß: Essen, Trinken, Wohnraum, Kleidung, Sprache...
Wie es bei Jesus war und ist, drückt er so aus:
[Joh 5,19 und 20] "...Der Sohn kann nichts von sich selbst aus tun, wenn er nicht sieht, wie der Vater es tut. Denn was jener tut, das tut auch der Sohn gleichermaßen. Denn der Vater liebt den Sohn, und er zeigt ihm alles, was er selbst tut; und er wird ihm noch größere Werke als diese zeigen, so daß ihr euch wundert."
Es hat mich beeindruckt, wie Jesus da von dem Verhältnis zwischen ihm und dem Vater spricht, ohne Neid, ohne Bitterkeit und ohne Traurigkeit. Dabei geht Jesus in der eben zitierten Stelle ja noch viel weiter, als nur zu sagen, daß er kleiner sei. Er widerspricht völlig dem Genie-Ideal, dem Ideal des sich selbst entwerfenden Menschen, das z.B. während der Epoche der Romantik weit verbreitet war.
Auch da, wo Jesus sagt, daß er kleiner als der Vater sei, ist er über diese Aussage offensichtlich nicht traurig.
[Joh14,28] " ...Wenn ihr mich lieben würdet, hättet ihr euch darüber gefreut, daß ich zum Vater gehe, weil der Vater größer als ich ist."
Ich kenne nur eine einzige Stelle in den Evangelien, wo berichtet wird, daß Jesus einmal "jubelte". Es ist Lk 10,21 - 24 bzw. Mt 11,25 - 27. In einer Bibel trägt Mt 11,25 - 27 die Überschrift "Vater und Sohn".
3. Januar 2003
[Mt 11,25 - 27]
"Ich preise dich, Vater,
Herr des Himmels und der Erde,
weil du dieses vor Weisen und Klugen verborgen hast und es den ganz Kleinen enthüllt hast.
Ja, Vater, so hat es dir gefallen.
Alles ist mir von meinem Vater übergeben worden.
Niemand erkennt den Sohn, nur der Vater.
Und niemand erkennt den Vater, nur der Sohn, und der, dem der Sohn es offenbaren will...
Nehmt mein Joch auf euch, lernt von mir, weil ich von Herzen demütig und klein bin (andere Übersetzung: sanftmütig und demütig im Herzen) und ihr werdet Trost (Ruhe) für eure Seelen finden..."
Soeben öffnet jemand eine Tür, und ich höre ein paar Satzfetzen vom Radio:
"...einziger Trost: ..."
Die Art, wie Jesus sein Verhältnis zum Vater beschreibt, war auch für mich ein Trost. Denn ich gehöre von Natur aus eher zu den Menschen, denen es manchmal schwer fällt, die Rolle des Kleineren zu übernehmen.
Deswegen fielen mir im täglichen Leben (auch in Büchern und Filmen) immer wieder Ereignisse und Szenen auf, die zu dem passen, was ich auf den letzten Seiten von Jesus zitiert habe.
Hier ist ein Beispiel. Ein Mädchen im Vorschulalter schaute sich in einem Wartezimmer die Spielsachen an. Es suchte sich eines der Stofftiere aus - irgendeine Maus. Plötzlich rief das Kind freudig:"Baby!" und nahm die Maus in die Arme. Dann ging es mit der Maus zum Schaukelpferd. Das Mädchen setzte sich auf das Schaukelpferd und setzte die Maus vor sich hin auf den Sattel. So fing es an zu schaukeln. Es schaukelte mit großer Begeisterung. DasGanze war ein Bild der Freude.
Kurze Zeit später fiel mir auf, daß diese Szene zu einer Bibelstelle paßt:
[Offenbarung 3,21] "Dem, der siegt,werde ich es geben, sich mit mir auf meinen Thron zu setzen, so wie auch ich gesiegt habe und mich mit meinem Vater auf seinen Thron gesetzt habe."
Vorhin habe ich geschrieben, daß Jesu Aussagen dem Genie-Ideal der Romantik widersprechen. Es ist seltsam, daß eben diese Aussagen Jesu eine ganz eigene Romantik haben. Man könnte es auch Intensität nennen, oder Schlüsselreiz (das meine ich nicht abwertend; vgl. Offb 3,7) oder einfach Liebe.
4. Januar 2003
Menschen-Eltern freuen sich oft, wenn ihre Kinder schließlich erwachsen geworden sind. Sie fühlen sich nicht mehr größer, und das ist gut so. Wer käme dann noch auf die Idee, zu überlegen, ob jetzt der Vater oder der erwachsene Sohn größer ist? Wieso sollte es bei Jesus und seinem Vater anders sein?
[Mt 23,8 - 10] "Ihr aber, laßt euch nicht 'Rabbi' nennen! Denn nur einer ist euer Meister, ihr aber seid alle Brüder.
Auch sollt ihr niemanden auf der Erde euren Vater nennen; denn nur einer ist euer Vater, der himmlische.
Und laßt euch nicht Führer nennen; ja ihr habt nur einen einzigen Führer: den Messias.
In der Gesellschaft trifft man immer wieder auf größer-kleiner-Beziehungen: Eltern und Kinder, Lehrer und Schüler, Firmenchefs und Mitarbeiter. Dabei haben die einen häufig mehr Erfahrung, mehr Ausbildung, mehr Verantwortung oder mehr Geld als die anderen und dürfen sich nicht im eigentlichen Sinne den anderen überlegen fühlen. Wenn in einem Unternehmen jemand als "Chef" angeredet wird, dann handelt es sich letztlich um eine Art Spielregel, die für das Funktionieren des Betriebs wohl benötigt wird.
Eltern wissen, daß sie selbst auch einmal klein waren. Und Führungskräfte werden gelegentlich daran erinnert, daß auch sie, z.B. durch Krankheit, jederzeit ihre Stellung verlieren könnten.
[Mt 22,45] "Wenn also David ihn (den Messias) 'Herr' nennt, wie kann er dann sein Sohn sein?"
Jesus drückt damit aus, daß ein Vater seinen Sohn nicht "Herr" nennen kann. Auf der anderen Seite kommt es in Jesu Gleichnissen vor, daß ein Vater seinem Kind Befehle gibt (ca. "Kind, arbeite heute in meinem Weinberg!"). Auch dann, wenn Jesus von seinem Vater im Himmel spricht, setzt er bei den Jüngern als selbstverständlich voraus, daß sie verstehen, daß er seinem Vater unbedingt gehorchen muß. Er verwendet also das damals weit verbreitete Bild vom autoritären Vater, ohne daß sich Menschenväter daraus eine Machtstellung in ihrer Familie ableiten dürfen. Das wird in Mt 23,4 deutlich:
"...denn nur einer ist euer Vater, der im Himmel."
Wieso könnte es Gott gefallen, daß zwischen dem Vater und Jesus, dem Sohn, eine größer-kleiner-Beziehung besteht?
Manche Menschen schätzen es einfach, wenn sie mit anderen Menschen von gleich zu gleich reden können. Sie neigen eher nicht dazu, Macht zu begehren, und wünschen sich nicht, bestimmten Mächtigen zu gefallen. Diese Eigenschaften sind Talente, die dafür geeignet sind, verschiedene Versuchungen abzuwehren.
Andere Menschen sind mehr an der Spannung zwischen kleiner und größer interessiert. Es gibt z.B. Schriftsteller, die die kleiner-größer-Thematik geradezu suchen, nicht nur um Konflikt-Situationen aufzubauen sondern auch um sie für positive Höhepunkte zu verwenden.
Es ist nicht gut, wenn eine Beziehung zwischen zwei Menschen eine zu starke kleiner-größer-Dynamik aufweist. Auch der Wunsch nach einer solchen Beziehung ist gefährlich. Das gilt sowohl für den Wunsch, der größere zu sein (also Macht zu besitzen), als auch für den Wunsch, der kleinere zu sein (z.B. sich von der Macht eines Führers faszinieren zu lassen).
Es ist eine Tatsache, daß es solche Wünsche gibt. Und das ist einer der Gründe, warum ich mich für das Verhältnis zwischen Jesus und dem Vater interessiere. Denn es ist für das Thema kleiner-größer ausgesprochen relevant.
Ich fand in Büchern und in Filmen Details, die dazu beigetragen haben, mir zu erklären, daß man sich auch in der Rolle des Kleineren wirklich wohlfühlen kann. Es waren Eindrücke, die mir neu waren. Das kannte ich noch nicht. Aber es paßte gut zu dem, was Jesus von seiner Beziehung zum Vater erzählt. Es half mir, ihn besser zu verstehen. Und ich konnte irgendwie mitfühlen, daß der Vater und der Sohn wohl daran interessiert sind, daß die kleiner-größer-Dynamik zwischen ihnen auch nach Jesu Rückkehr zum Vater nicht vorbei ist.
Wohin mit dem Wunsch nach einer starken kleiner-größer Beziehung? Wenn man begreift, daß Gott die kleiner-größer Dynamik gehört, dann kann dieser Wunsch zum Talent, zum Gleichnis werden.
Ich habe von derartigen Gleichnissen aus dem Bereich Literatur und Film geschrieben. Solche Gleichnisse können auch direkt aus dem täglichen Leben kommen. Ich möchte jedoch an einem Beispiel veranschaulichen, daß es in diesem Fall besser sein kann, das Gleichnis nicht zu direkt zu erleben.
Es kann in einem Theaterstück vorkommen, daß ein Mann den Wunsch verspürt, freiwillig vor der Frau, die er liebt, niederzuknien. Ich kann das brauchen, als Gleichnis.
Wenn mir dagegen eine Bekannte erzählen würde, ihr Freund hätte so etwas mit ihr gemacht, dann wäre mir das unerträglich. Denn kein Mensch soll für seinen Mitmenschen ein Herr oder gar ein Gott sein. Ich würde darüber nachdenken, ob ich der Bekannten das irgendwie mitteilen muß. Mir wäre wahrscheinlich überhaupt nicht danach, aus dem Mißstand ein Gleichnis zu machen.
5. Januar 2003
Klingt es abwertend, wenn ich sage: "Der Vater ist größer als Jesus."?
[Lk 9,35] Und eine Stimme kam aus der Wolke und sagte: "Dies ist mein auserwählter Sohn, auf ihn sollt ihr hören."
[Mt 3,17 ] [Bei Jesu Taufe] Und siehe, eine Stimme kam aus dem Himmel und sagte: "Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe."
Der Vater prüft und wählt aus. Er hat die besondere Ehre dessen, der prüft und von niemandem geprüft wird.
Jesus ist von seinem Vater geprüft worden und hat die Prüfung bestanden. Er hat die besondere Ehre dessen, der geprüft wird und die Prüfung fehlerfrei besteht.
Kinder wünschen sich oft, gute Noten zu haben oder irgendetwas in der Schule besonders gut zu können. Dabei denken sie nicht daran, dem Lehrer oder Prüfer seine Rolle zu neiden.
[Offb 5,1 - 10] Und ich sah in der Rechten dessen, der auf dem Thron sitzt, ein Buch. Es war innen und hinten beschrieben und mit sieben Siegeln versiegelt. Und ich sah einen starken Engel, der mit lauter Stimme verkündete: "Wer ist würdig, das Buch zu öffnen und seine Siegel zu lösen?" Und niemand, weder im Himmel noch auf der Erde noch unter der Erde konnte das Buch öffnen oder in es hineinsehen. Und ich weinte sehr, weil niemand für würdig befunden wurde, das Buch zu öffnen oder in es hineinzusehen.
Und einer von den Ältesten sagt zu mir: "Weine nicht! Siehe, es hat gesiegt der Löwe aus dem Stamme Juda, die Wurzel Davids, um das Buch und seine sieben Siegel zu öffnen."
Und ich sah ... ein Lamm ... Und es kam und nahm (das Buch) aus der Rechten dessen, der auf dem Thron sitzt. ... und (die Ältesten) singen ein neues Lied: "Würdig bist du, das Buch zu nehmen und sein Siegel zu öffnen, weil du geschlachtet worden bist und für Gott mit deinem Blut (Menschen aus) jedem Stamm, jeder Sprache, jedem Volk und jeder Nation losgekauft hast. Du hast sie für unseren Gott zu einem Königreich und zu Priestern gemacht. ..."
[Off 5,13] "...Dem, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm (gehört) ... die Ehre ... und die Macht in alle Ewigkeit."
Den Menschen gegenüber ist Jesus derjenige, der prüft.
[Joh 15,16] [Jesus sagt:] "Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt, ..."
Jesus legt wiederholt Wert darauf, klar auszudrücken, wer welche Rolle hat. Der Vater hat ihn gesandt und erwählt. Er gibt Jesus das Leben (so ungefähr drückt Jesus es selbst aus), [Joh 5,26] das Wort und schließlich alles, was er hat, auch Vollmacht.
Den Jüngern gegenüber ist dann Jesus derjenige, der sendet, erwählt und gibt. Manchmal stellt Jesus sein Verhältnis zu den Jüngern als parallel dar zu dem Verhältnis zwischen seinem Vater und ihm.
Die Beziehung zwischen dem Vater und Jesus ist im Neuen Testament relativ ausführlich beschrieben worden, vor allem auch von Jesus selbst. Deswegen fällt es mir persönlich leichter, über diese Perspektive zu reden als über die andere, bei der Jesus mit dem Vater zusammen Gott ist. Anderen Menschen wird vielleicht diese zweite Perspektive vertrauter sein. Jesus redet zwar weniger ausführlich über sie, aber sie ist ihm trotzdem ein Anliegen: Man darf sie nicht als weniger wichtig beiseite legen.
[Joh 14,9] ... "So lange Zeit bin ich schon bei euch, und du hast mich nicht erkannt, Philippus? Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen. ..."
Mit "Sehen" meint Jesus vor allem auch "Erkennen". Denn zu Leuten, die ihn nicht erkannt haben, sagt Jesus einmal:
[Joh 5,37] "... Ihr habt nie seine Stimme (die Stimme des Vaters) gehört, und ihr habt nie seine Gestalt gesehen, und sein Wort habt ihr nicht bleibend in euch, weil ihr dem nicht glaubt, den er gesandt hat."
Auch die andere Perspektive, die Vater-und-Sohn-Perspektive, ist Jesus ein Anliegen. Sie scheint das letzte Thema zu sein, über das Jesus vor seiner Not spricht. Dabei fällt auf, daß sich am Ende der Abschlußrede die Gesprächssituation ändert.
Vorher hat Jesus mit den Jüngern unter anderem über den Vater gesprochen.
(ich; der Vater; und ihr, die Jünger)
Dann in Joh 17,1 fängt Jesus an, im Gebet zum Vater zu sprechen. Er redet über seine Beziehung zu ihm und über seine Beziehung zu den Jüngern. [Joh 17,1 - 26]
(ich; du, der Vater; und die Jünger)
Die Jünger können dabei zuhören und mitlernen.
Jesus richtet also seine Worte an den Vater, wie um zu belegen, daß seine Beziehung zum Vater echt eine Beziehung ist, genauso echt wie seine Beziehung zu den Jüngern.