In diesen Tagen hörte ich in den Medien den Vergleich: "So idealistisch wie Jesus." Welch ein Irrtum, Jesus als realitätsfernen Verfechter von hochfliegenden sittlichen Menschen-Grundsatzprogrammen hinzustellen. Ja, Jesus ist der ideale Mensch, der Vollkommene im Sinne des Vaters, das gültige Beispiel. Er gab aber sein Leben nicht für eine große Menschenidee. Das Todesurteil für ihn hatte auch damit zu tun, daß er dem von Menschen gemachten Messias Wunschbild nicht entsprach. Und daß er mit Menschen sprach (mit ihnen aß und trank), die von Heuchlern (Idealisierer ihres eigenen Tuns) verachtet wurden. Es ist aber nicht so, wie die Idealisierer dieser verachteten Menschen es oft hinstellen, als ob Jesus mit seiner Hinwendung zu Sündern die Sünde bagatellisiert hätte. Er mahnte alle, so vollkommen wie der Vater zu werden. Wer wie Jesus auf den Vater im Himmel hört, ist auch bereit, zu tun, was der Vater erwartet. Es ist gerade nicht so, daß der gehorsame Mensch im Leben zu kurz kommt. Es dürfen aber fällige Verzichte nicht versäumt werden. Wer zu diesen fälligen Verzichten bereit ist, läßt sich aber auch nicht Pflichten und Verzichte von religiösen Möchtegern-Vätern aufschwatzen (aufhalsen), und er läßt sich nicht durch die Tradition knechten. So ein gehorsamer Mensch wird bereits hier und jetzt reichlich entschädigt und belohnt. Und die Belohnung im anderen Leben ist erst recht reich zu nennen. Das ist Jesu Zusage, die ich bereits schon in diesem Leben als zutreffend erlebte und bezeugte.
Ich hörte gestern einen Satz, der nur "weltlich" gemeint war, aber doch voll zutreffend ist für die Glaubensebene. Es wurde gesagt: "Die Ungläubigkeit (gegenüber den Opfern von Gewalt und Mißbrauchtwerden) in der Gesellschaft ist der beste Täterschutz."
Jesu Gleichnisse zeigten auf analoge Bezüge der anscheinend "bloß" weltlichen Realität. Bei zeichenhaftem Geschehen wird das oft schneller deutlich. Z.B. wenn es (der Realität gemäß) heißt: "Dorf vor der herabstürzenden Kirche schützen." Wenn berechtigte Mahnungen nicht gehört werden, dann kann plötzlich (aus anscheinend bloß weltlichen Gründen) bekannt gemacht werden müssen: "Die Rettung ist gescheitert".
Ich hörte einmal in einer Predigt, daß ein Pfarrer betonte, Jesus habe Menschen, die einen geistlichen Beruf ausüben, diese Zusage, von der ich oben sprach: "Reiche Belohnung schon hier und jetzt und dann in der neuen Zukunft erst recht," gemacht. Ich dachte: Mensch, weißt du nicht, was die Bedingung für diese Zusage war? Jesus sagte: Alles,was ihr (und wen ihr) um meinetwillen verlaßt. Dazu gehört auch: alles, worauf ihr wegen eures Gehorsams verzichtet. Wie steht es damit häufig gerade bei "ganz richtig" Ordinierten? Wem gilt da sehr oft die erste Treue (der vorauseilende Gehorsam)? Welche Berufsgruppen beugen nicht selten ganz direkt Gottes Rechte? In einem Brief, der heute ins Internet kam, schrieb ich davon, daß ein C-Politiker sagte: Es gibt Stunden, in denen man Gott nicht brauchen kann. Vorhin hörte ich in einer Kirchensendung in einer etwas anderen Vertonung Ähnliches, als ein Pfarrer den amerikanischen Trend: "simplify your life" propagierte. Seit ich mich erinnern kann (seit ich selbst Möglickeiten der Lebensgestaltung hatte) strebe ich diesem Ideal (diesem Muster) nach. Dazu zwang mich auch meine Konstitution (Verfassung,die von Gott kommt). Aber gerade die Annahme gesundheitlicher Schwächen zwang mich zu Aufwendungen, zu Kompliziertheiten, die das Gegenteil vom Ideal der Vereinfachung sind. Ich bin beim Jasagen-Lernen zur Annahme dieser Last. Als der Vereinfachungs-Pfarrer sagte, man könne (dürfe) nicht sagen, Jesus ist der Sinn deines Lebens, er sei nämlich nicht der Sinn des Lebens, da stand mir wiedereinmal vor Augen, was fromme Vereinfachungen anrichten, nämlich genauso törichte unfromme Vereinfachungen zu produzieren. Ich sah einmal eine Filmkomödie, die von einem Mann handelte, der die Voraussage von Wahrsagerei glaubte, daß nämlich sein Tod bevorstehe.
Weil ich Menschen erlebte, die auf Untersuchungsergebnisse warteten, ob eine Gewebeprobe sich als bösartig (krebserkrankt) erweist oder nicht; und die während des Wartens lächerliche Illustrierten verschlangen, konnte ich den "Todeskandidaten" etwas verstehen, als er "angesichts des Todes" ersteinmal alle Angebote seiner Frau als unpassend abwies. Mir half während der Zeit, in der ich begründet mit meinem frühen Tod rechnen mußte, zunächst das Pflichtgefühl, das mir spürbar Aufgetragene zu erbringen. Es ist wahr, was ich sage: Der Trend, den ich aus Filmen und Lebensberichten kenne, vor einem nahen Tod möglichst noch viel zu erleben, dieser Trend, war mir fremd. Aber, daß ich langsam doch wieder lernte, nicht nur im Pflichterledigen aufzugehen, sondern Erlebnisfreude anzunehmen lernte,das hat damit zu tun, daß ich ernstzunehmend danach fragte: Wie steht Christus zu meinem Leben und welche Rolle will er darin spielen. Ich lernte (teilweise sehr langsam und mühsam) falsche religiöse anerzogene Angestrengtheit abzulegen. Und doch bei Wesentlichem alle Kräfte zu mobilisieren. Und ich lernte Gottes Nähe zu erbitten und zu schätzen und ihm zu vertrauen, daß er mich nicht überfordert. So wurde es für mich wohltuend und beruhigend, daß er an allem, was ich erlebe, Anteil hat. Wenn mir das Gespür dafür verloren ging, stimmte mich das zu Recht traurig. Nach diesen Entwicklungsstufen sage ich gerne und ohne von einem religiösen Meister dazu angelernt worden zu sein: Ja, Christus ist der Sinn meines Lebens. Jede andere Vereinfachung und jede andere Kompliziertheit hinsichtlich meiner Sinnsuche lehne ich ab.
Zur besonderen Belohnung, die der oben genannte Prediger sich und seinesgleichen ausrechnet, fiel mir ein Gleichnis ein: Ein Haus mit viel "Gesinde" hat einen Herrn, der auf Offenheit und Loyalität ihm gegenüber hofft und auch belegt, daß er dieses Vertrauen verdient. Wenn dann das Personal lieber doch zum Personal geht, wenn Wesentliches auf dem Spiel steht, wenn Wichtiges zu entscheiden ist und wenn Persönliches mitzuteilen ist, dann kann so ein Bediensteter 1000 schöne Versprechen am Anfang dem Herrn des Hauses gegeben haben; es liegt Mißtrauen und Falsch gegen den Herrn im unangemessenen Setzen (Vertrauen) auf "welche von uns". Soll der Herr des Hauses einen solchen "Dienstmann" besonders belohnen? Da ist ja noch etwas: Wenn sich innerhalb des Personals eine völlig überflüssige, ja eigenmächtige Hierarchie (eine nicht vom Herrn des Hauses gewollte Hierarchie) bildet, dann hat das auch mit dem unbegründeten Mißtrauensbeweis der Bediensteten zu tun. Hier zuerst derer, die sich wie hilflose (ausgebeutet von wem?) Ausgelieferte benehmen und unter ihresgleichen Hilfe (gegen den Herrn des Hauses) erhoffen. Und dann sind die in Versuchung gebrachten "Vertrauten" der Mißtrauischen stolz auf ihren heimlichen Rang über dem Herrn des Hauses.
Als ich eben das Wort "über" unterstrich, stellte ich fest,daß der Computer ganz ohne meine Absicht und ohne mein Zutun oben das Wort "unangemessen" unterstrichen hat. Ich denke, es hilft erfassen, daß Strukturen, ja auch vorläufige Hierarchien soweit recht sind, wie sie wirklich vom Herrn des Hauses gewollt sind, daß aber der Herr des Hauses recht genau merkt, wenn ihm das Vertrauen geraubt wird und wenn seine Verheißung (er selbst will seine Weisung in die Herzen der Seinen schreiben) boykottiert wird. Soll Gott etwa Boykott auch noch besonders belohnen? Könnte die Fixierung der Dienstleute so vollendet auf ihre eigenmächtige und routinierte "Dienstordnung" gerichtet sein, daß sie gar nicht merkten, daß für ihre wahren Aufgaben längst andere eingesetzt wurden? Als Jesus beim Gleichnis von den schlechten Winzern diesen letzten Punkt, nämlich andere werden den Platz erhalten (Lk 20,16), gesagt hatte, hatten die Angesprochenen gemerkt, daß sie gemeint waren. Und da sagten sie: "Bloß das nicht!"